CX-Kompass

Warum KI-Kompetenz jetzt Pflicht für Unternehmen ist – und wie die Umsetzung gelingt

Geschrieben von Rainer Kolm | Jun 9, 2025 7:59:26 AM

Mit dem Inkrafttreten der EU-KI-Verordnung (EU AI Act) im August 2024 und der verbindlichen Anwendung von Artikel 4 ab Februar 2025 steht fest: Unternehmen in ganz Europa müssen sicherstellen, dass alle Mitarbeitenden, die mit KI-Systemen arbeiten, über ausreichende KI-Kompetenz verfügen. Dieser Paradigmenwechsel betrifft nicht nur Hightech-Konzerne, sondern jedes Unternehmen, das KI einsetzt – von Chatbots im Kundenservice bis zu datengetriebenen Analysen im Controlling.

Was verlangt Artikel 4 konkret?

Artikel 4 der KI-Verordnung verpflichtet Anbieter und Betreiber von KI-Systemen, Maßnahmen zu ergreifen, damit ihr Personal und beauftragte Personen über „ausreichende KI-Kompetenz“ verfügen. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um Hochrisiko-, begrenzte oder minimale Risiko-KI handelt. Die Anforderungen sind horizontal und betreffen alle Branchen und Unternehmensgrößen.

KI-Kompetenz wird dabei umfassend definiert: Sie umfasst technisches Verständnis (wie KI funktioniert, welche Algorithmen und Daten genutzt werden), Anwendungskompetenz (Bedienung und Nutzung von KI-Systemen), kritische Bewertung (Risiken und Grenzen erkennen, Ergebnisse hinterfragen), ethische und rechtliche Aspekte (z.B. Datenschutz, Compliance) sowie die Fähigkeit, Chancen und Risiken von KI einzuschätzen.

Warum ist die Kompetenzpflicht so wichtig?

Die EU will mit der Verordnung Vertrauen in KI schaffen, Risiken begrenzen und Innovation ermöglichen. Fehlerhafte oder falsch verstandene KI-Anwendungen können zu erheblichen Schäden führen – von fehlerhaften Entscheidungen bis zu rechtlichen Konsequenzen. Unternehmen haften, wenn sie ihre Beschäftigten nicht ausreichend qualifizieren. Die Kompetenzpflicht ist also nicht nur ein Appell, sondern eine echte Compliance-Anforderung mit haftungsrechtlicher Relevanz.

Wie sieht KI-Kompetenz konkret aus?

Laut Verordnung umfasst KI-Kompetenz:

  • Technisches Grundverständnis: Wie funktionieren KI-Systeme, welche Daten werden genutzt, wie entstehen Ergebnisse?
  • Anwendungskompetenz: Wie werden KI-Systeme sicher und effizient bedient?
  • Kritische Bewertung: Können Mitarbeitende Ergebnisse hinterfragen und Risiken erkennen?
  • Ethische und rechtliche Kompetenz: Werden Datenschutz, Fairness und andere Compliance-Anforderungen eingehalten?
  • Verantwortungsvolle Anwendung: Können Mitarbeitende im Zweifel richtig intervenieren?

Welche Maßnahmen sind zur Kompetenzentwicklung nötig?

Die Verordnung schreibt keine festen Schulungsformate vor, sondern fordert „ausreichendes Wissen“ abhängig von Rolle, Erfahrung und Einsatzkontext. Unternehmen sollten daher systematisch vorgehen:

  1. Bestandsaufnahme: Welche KI-Systeme werden genutzt? Welche Kompetenzen sind im Unternehmen vorhanden, wo gibt es Lücken?
  2. Kompetenzprofile und Bedarfsanalyse: Welche Anforderungen gelten für welche Rollen? Welche Schulungen sind nötig?
  3. Schulungsmaßnahmen entwickeln: Dazu gehören formale Trainings, E-Learning, Workshops, Mentoring, Fachkonferenzen und kontinuierliche Weiterbildung.
  4. Wissensmanagement und Support: Interne Plattformen für Best Practices, intuitive Benutzeroberflächen, Hilfsfunktionen und erklärbare KI-Ansätze erleichtern den Wissenstransfer.
  5. Dokumentation und Compliance: Alle Maßnahmen, Qualifikationen und Assessments sollten dokumentiert und ins Compliance-Management integriert werden.

Was ist bei der Umsetzung zu beachten?

Die Anforderungen sind kontextabhängig: Je nach Risiko, Einsatzbereich und Zielgruppe müssen die Maßnahmen angepasst werden. Für Hochrisiko-Anwendungen (z.B. Kreditvergabe, Medizin) sind tiefere Kompetenzen nötig als für einfache KI-Tools. Auch demografische und kulturelle Unterschiede, Barrierefreiheit und lebenslanges Lernen spielen eine Rolle.

Risiken bei Nichteinhaltung

Unternehmen, die die Kompetenzpflicht ignorieren, riskieren Haftungsprobleme, arbeitsrechtliche Konsequenzen und Konflikte mit dem Betriebsrat. Die Pflicht zur Qualifizierung ist Teil der Sorgfaltspflicht und kann im Schadensfall zur Haftung führen. Zudem ist der Betriebsrat bei Qualifizierungsmaßnahmen einzubinden.

Fazit und nächste Schritte

Artikel 4 der EU-KI-Verordnung macht KI-Kompetenz zur Pflicht für alle Unternehmen, die KI-Systeme einsetzen. Die Umsetzung erfordert eine strukturierte, dokumentierte und kontinuierliche Kompetenzentwicklung – von der Bedarfsanalyse über Schulungen bis zur regelmäßigen Überprüfung. Wer jetzt handelt, minimiert Risiken und legt den Grundstein für einen sicheren, verantwortungsvollen und erfolgreichen KI-Einsatz.

Empfohlene Maßnahmen für Unternehmen:

  • Führe eine Kompetenzbedarfsanalyse durch
  • Entwickle ein Schulungskonzept für alle relevanten Rollen
  • Etabliere ein Dokumentationssystem
  • Definiere klare Verantwortlichkeiten
  • Plane regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen

So wird KI-Kompetenz zur nachhaltigen Stärke deines Unternehmens – und zur Voraussetzung für Innovation und Vertrauen im digitalen Zeitalter.