Customer Experience Management versteht sich als die Kunst, Kundenzentrierung an allen Berührungspunkten zwischen Kunden und Unternehmen herzustellen und auch die Prozesse dazu daraufhin auszurichten. Es ist gerade ein absolutes Trend- und Wachstumsthema, was sich in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Der Haupttreiber dafür sind die immer anspruchsvoller werdenden Kunden. Was heute als exzellent angesehen wird, ist morgen Standard und übermorgen nicht mehr ausreichend.
Als kleines Beispiel dafür mag mehrkanaliger Kundensupport dienen: War es bis vor Kurzem noch bahnbrechend, rund um die Uhr und ohne anzurufen, viele Themen online an Chatbots, soziale Netzwerke oder Self-Service-Plattformen adressieren zu können, ist es heutzutage eine Selbstverständlichkeit und wird nur dann als Wettbewerbsvorteil eingestuft, wenn es den höchsten Standards folgt und laufend weiterentwickelt wird. Dass die Arbeit von Customer Experience ManagerInnen generell nicht leichter wird, zeigen uns auch eher stagnierende Werte unternehmensübergreifender Studien zur Kundenzufriedenheit, z. B. die Studie zur Customer Experience Excellence (CEE) von KPMG, die zuletzt gesunkene Werte vermeldete. In 2023 betrug der CEE-Score 7,31 und ist damit niedriger als in den vier Jahren zuvor.
Customer Experience Managern stellen sich und uns nun vorrangig zwei Fragen: zum einen, welche Themen jetzt und künftig für Kunden wichtiger werden und zum anderen, ob und wie diese von Unternehmen richtig adressiert werden können.
Omnichannel – aber richtig
Unsere Erfahrung als Anbieter von Feedbacklösungen zeigt, dass „Ich mache jetzt auch Chats, Social Media und nutze immer verfügbare Bots“ noch nicht weit genug geht. Die Qualität der Umsetzung muss auch stimmen, denn die Kunden legen die gleichen strengen Ansprüche an die neuen Kanäle an wie bei den alten, die allerdings meistens in der Kundenwahrnehmung besser abschneiden.
Was immer gilt: Kunden möchten nahtlose Erlebnisse über verschiedene Kanäle hinweg.
Unternehmen müssen daran arbeiten, ein konsistentes und integriertes Kundenerlebnis zu bieten und das führt zu folgenden Erfordernissen:
Innovation mit Augenmaß ist der Erfolgstreiber und wird uns bzw. unsere Kunden die nächste Zeit beschäftigen. Eine kritische Beschäftigung mit dem „Was und wofür“ der einzelnen Kanäle und gegebenenfalls feedbackgestützter Anpassungen ist hier das A & O jeder ernst gemeinten Kundenzentrierung.
Selfcare ohne Grenzen: Chatbots, IVR-Systeme oder Kundenserviceportale bieten den Vorteil, aber auch das Risiko, dass man ohne Hilfe eines Kundenbetreuers auskommen kann und muss. Das wird von den Kunden auch explizit so gewünscht, „Self-Service“ und „Customer Empowerment“ gelten als längerfristige Trends. Aber am Ende muss es auch für die Kunden funktionieren. Daher wird das Thema Usability immer wichtiger, wenn es um Kundenakzeptanz geht. Es wird jetzt schon sichtbar, dass UX und CX immer mehr zusammen-wachsen und gerade die Ansätze für Erforschung und Optimierung der UX immer stärker nachgefragt werden.
Jeder Kontaktpunkt zählt - Schlüssel zum Mehrwert in jedem Kontakt: Das gesammelte Wissen aus den vorherigen Kontaktpunkten muss zur Verfügung stehen und sich zu einem Ganzen verbinden. Liegen einem Service-Mitarbeiter bei einem Anruf mit einem Kunden nicht alle Daten vor, möchte er diese nachts im Kundenportal selbst ergänzen können und somit den Prozess fortführen, ohne erneut anrufen zu müssen. Was einfach klingt, ist technisch oft komplex. Darum erwarten wir einen härter werdenden Wettkampf der Kundenmanagement-Systeme – gerade auch, was deren Leistungsfähigkeit im Bereich Analytics betrifft.
Megatrend Personalisierung
Von vielen Experten wird es als Hauptherausforderung für Kundenbindung jetzt und in Zukunft gesehen: Kunden bestehen darauf, nicht mehr in die Unternehmensprozesse gepresst zu werden, sondern möchten, dass diese sich nach ihnen richten – gute CX besteht also nicht mehr aus der Kombination kurzer Wartezeiten und freundlicher Mitarbeiter. Es gilt vielmehr, den Kunden richtig anzusprechen und abzuholen.
Daraus ergibt sich für die Unternehmen die Herausforderung, dass es mit guten gemachten Standards allein nicht getan ist, sondern man sehr flexibel die Kunden adressieren muss, was Kanäle, Angebote und die Umsetzung der Dienstleistung bzw. die Bereitstellung des Produktes betrifft.
Um diese Mammutaufgabe zu lösen, müssen sich CX-Verantwortliche sich gegebenenfalls zum ersten Mal systematisch mit den Customer Journeys befassen. Der Plural ist hier bewusst gewählt, weil der Trend zur Personalisierung viele individuelle Wege zum Produkt oder der Dienstleistung erfordert.
Wir erwarten, dass sich die Nachfrage nach entsprechenden Beratungsleistungen steigern wird, bei denen sowohl der Ist-Stand als auch der gewünschte Ziel-Stand der Customer
Journeys erarbeitet wird. Der Ziel-Stand ist dabei ein beweglicher, da multiple und sich selbst individualisierende Customer Journeys ganz vom Stand der Technik abhängig sind.
Mit KI zu personalisierten Customer Journeys
Bei der anschließenden Umsetzung sehen wir demnach auch die größte Chance des Einsatzes von KI. Immer besser werdende Berechnungen werden alle von einem Kunden gespeicherten Daten und gemessenen Interaktionen „verstehen“ und dann individuell auf die Touchpoints leiten, die am besten passen. Hilfreich kann hier aber natürlich auch sein, dem Kunden die Wahl des Betreuungsmodells zu überlassen, also ob „online only“ gewünscht wird oder doch lieber persönlich beraten werden soll – so wie ja bereits von Versicherungen praktiziert.
An den einzelnen Touchpoints selbst kommt der KI entweder die Rolle der alleinigen Kundenbetreuung zu (z. B. bei Chat-Bots). Oder sie unterstützt die Kundenbetreuer, indem einfache Routine-Aufgaben über IVR laufen oder mithilfe von KI-gestützten Systemen eine schnellere und bessere Lösung des Kundenanliegens gefunden wird.
Die emotionale Ebene kommt nicht zu kurz
In solchen optimierten und automatisierten Systemen liegt allerdings die Gefahr eines ausbleibenden Aufbaus einer persönlichen Kundenbeziehung. Empirisch abgesichert ist es, dass persönliche und emotionale Erlebnisse dazu beitragen, einer Marke dauerhaft treu zu bleiben, aber auch Fehler zu verzeihen.
Aufgrund der rasanten Entwicklung der KI-gestützten Systeme und dem größer werdenden Anteil von Digital Natives ist es im Moment noch offen, ob sich Menschen auch ohne zwischenmenschliche Interaktion emotional binden lassen.
Erst einmal werden diejenigen Unternehmen über die beste Kundenorientierung verfügen, die die richtige Entscheidung in Bezug auf das treffen, was in der Hand von Menschen verbleiben soll, um den persönlichen Touch nicht zu verlieren und dem, was man in die Hand der KI geben kann, um hohe Verfügbarkeit, Prozesssicherheit und Geschwindigkeit zu erreichen.
Wer die an der einen Stelle durch KI-Tools gesparten menschlichen Kapazitäten dann an anderer Stelle dazu nutzt, um in zwischenmenschliche Gespräche zu kommen, wird sich dadurch Wettbewerbsvorteile sichern. Eine Möglichkeit dazu bietet sich durch die im B2B-Bereich bereits verbreiteten Customer Success Manager, die sich persönlich um die Gesamtzufriedenheit der Kunden kümmern oder durch das bewusste Investment in persönliche Kontaktpunkte, an denen man den größten Einfluss auf die Kundenbindung hat.
Business Analytics neu definiert
Diesen Einfluss der Kundenbindung zu bestimmen, erfordert zudem eine sehr viel leistungsfähigere Analyse der Customer Experience, um der gestiegenen Komplexität aus multiplen Touchpoints, Kanälen und Customer Journeys Rechnung zu tragen – weit mehr, als es bisher häufig nur mit den Daten aus den Feedback-Systemen der Fall war. Als vorbereitenden Schritt wird das dann erstmals bedeuten, dass eventuell vorhandene Silos in Bezug auf CX-bezogene Daten überwunden werden müssen. Die Daten müssen in einem sogenannten Data Lake für eine übergreifende Analyse also erst einmal zur Verfügung stehen. Um eine ganzheitliche Sicht auf die CX eines Unternehmens zu haben, sollten folgende Arten von Daten zur Verfügung stehen:
- Alle Arten von erhobenem Kundenfeedback aus eigenen Befragungen, Bewertungsplattformen, wie Google Ratings, Trustpilot etc.
- Unstrukturiertes Feedback aus Social Media und Kommunikation mit den Kunden (Beschwerden, Lob etc.)
- Performance KPIs: Zeit bis zur Lösung des Anliegens, Fehlerhäufigkeit, Aufwand für den Kunden etc.
- Business KPIs: Umsätze, Churn Rates etc.
- Kundendaten: Interaktionen, Kaufverhalten, Customer Lifetime Value etc.
Nach Erstellung des Data Lakes stellt sich die Frage nach Ownership, Tool, Architektur und Deliverables der Analysen. All das sind die Bausteine eines umfassenden Customer Insights Hubs.
Hier findet sich dann auch ein zweites Einsatzfeld für KI-gestützte Anwendungen. Denn die Analyse von unstrukturiertem Text scheiterte bisher an der technischen Umsetzbarkeit bzw. war stark davon limitiert. Hier erleben wir gerade Quantensprünge, was die Möglichkeiten angeht. Das betrifft sowohl die Präzision, mit der Sachverhalte erkannt und klassifiziert werden können, als auch den abnehmenden Aufwand der bedarfsgerechten Konfiguration der Analysen.
Die analytische Kompetenz von KI wird auch das generelle Vorgehen bei der Erstellung von Analysen revolutionieren: Aus der heute noch aktuellen Datenaufbereitung (inkl. Rückschleifen), Dashboards, Filter und Drill-Downs wird die Frage: „Hey Insights Hub – was sind die drei Top-Gründe für Kundenabwanderung?“
Mehr Zeit für konkrete Maßnahmen
Ein weiterer Trend, der sich daraus ergibt, wird die Verlagerung des Schwerpunkts der Tätigkeit von CX-Managern in den Unternehmen sein. Während heutzutage die Arbeit oft noch sehr stark aus Erhebungen, Analysen und auf die Generierung von Insights besteht, werden die CX-Manager der Zukunft vor allem konkreten Impact auf die Kundenzentrierung des Unternehmens haben.
Daher sehen wir – nach einer gewissen Phase der Konsolidierung neuer Standards und Lösungen im Zuge von KI-gestützten Anwendungen – auch einen ganz klaren Trend hin zu mehr Maßnahmenentwicklung, Change Management und Produkt-Design aus dem Customer Experience Management heraus.
Neben klassischen Methoden, wie Maßnahmen-Workshops mit den betreffenden Stakeholdern und Praktikern, empfehlen sich hier auch alle Methoden, die Kunden direkt in die Entwicklung von Produkten und Services miteinbeziehen, um hier noch schneller auf die Veränderungen in deren Ansprüche reagieren zu können. Das kann z. B. singulär durch Co-Creation Sessions aber auch flankierend in Form von Kunden-Communties erfolgen.
Die Zukunft gehört den besseren Feedbacksystemen
Dennoch werden Befragungen und Feedback-Systeme weiterhin eine wichtige Rolle einnehmen. Denn sie dienen neben der generellen Beobachtung der Kundenwahrnehmung vor allem auch dazu, die Effekte der Maßnahmen und Entwicklungen für eine bessere Customer Experience zu validieren. Hier wird die Zukunft intelligentere Befragungswege bereithalten, als wir sie heute kennen.
Die Survey der Zukunft ist keine starre Abfolge von Fragen und deren Filterbedingungen mehr, sondern versteht – ebenfalls KI-gestützt – die Inhalte der Feedbacks und gestaltet auf dieser Basis die weiteren Fragen an den Kunden und ermöglicht so die bestmögliche Personalisierung bei tieferen Insights.
Was kommt danach?
Die gerade umschreibenden Trends und Entwicklungen spielen sich alle in der von uns gewohnten Welt aus physischen und digitalen Touchpoints ab, so wie wir sie kennen. Die nächste Stufe in der Kundenerfahrung werden dann durch neue Technologien wie Augmented und Virtual Reality bestimmt. Die Kunden werden Kleidung und Einrichtungs-gegenstände in einer realitätsnahen Umgebung erst einmal anprobieren können (erste Ansätze existieren ja bereits) oder in die virtuelle Welt der jeweiligen Marke eintauchen können, was damit dann eine völlig neue Intensität des Kundenerlebnisses ermöglicht.
Ob – so wie von einigen Quellen postuliert – dann wirklich die Customer Experience einer Marke wichtiger wird, als die Produkteigenschaften selbst, werden wir sehen. Auf jeden Fall freuen wir uns darauf, Teil einer ereignisreichen Zukunft des Customer Experience Managements zu sein.