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Peter Blog Hintergrund
Peter Pirner5 Minuten Lesezeit

Zielgruppen richtig verstehen: Die Initiative 50+

Blog E129

Was sollten Unternehmen beachten, um ihre Marketingstrategien zielgruppengerecht zu optimieren. Ich sprach mit Ines Imdahl, Mitgründerin des Marktforschungsinstituts rheingold salon, über die praktische Bedeutung von Zielgruppen, die methodischen Herausforderungen und Möglichkeiten und die oft übersehene Zielgruppe der 50-Jährigen und älter. Ines bringt hier wertvolle neue Einblicke und Erfahrungen aus der forscherischen Praxis mit. 


Den Link zur ganzen Folge gibt es am Ende des Blogs.

Die Bedeutung von Zielgruppen

Zielgruppenanalyse ist für Unternehmen unerlässlich, um ihre Produkte und Dienstleistungen erfolgreich zu vermarkten. Im Gespräch betont Ines, dass Unternehmen einen klaren Plan benötigen, um ihre Zielgruppen zu definieren und zu verstehen. „Ein Produkt sollte passen, weil die Zielgruppe tickt, wie sie eben tickt“, erklärt sie. Wenn Unternehmen ihre Zielgruppen nicht richtig definieren, riskieren sie, ihre Produkte an den Bedürfnissen der Verbraucher vorbeizuproduzieren.

Die Herausforderung der Zielgruppendefinition

Ines hebt hervor, dass es oft weniger Einigkeit darüber gibt, welche Kriterien für die Zielgruppendefinition am besten geeignet sind. Sie kritisiert, dass viele Unternehmen mit veralteten Modellen arbeiten, die nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten entsprechen. „Wir arbeiten mit Modellen, die es schon ewig gibt, und da waren wir vor der Digitalisierung schon mal ein Stück weiter“, sagt sie.

Ein Beispiel, das sie anführt, ist die Verwendung von Personas. „Die Personas sind, wenn sie nicht wirklich sauber segmentiert sind, oftmals sogar erfundene Zielgruppen“, erklärt Ines. Sie beschreibt, wie in Workshops oft fiktive Charaktere erstellt werden, die in der Realität nicht existieren. Dies führt zu einem Missverhältnis zwischen den angenommenen Zielgruppen und den tatsächlichen Bedürfnissen der Verbraucher.

Die Initiative 50+: Ein neuer Blick auf die Zielgruppe

Ines hat eine Initiative ins Leben gerufen, um die Zielgruppe der 50-Jährigen und älter stärker in den Fokus der Marketingstrategien zu rücken. Diese Gruppe wird oft als „Silver Ager“ oder „Silverliner“ bezeichnet und ist eine der kaufkräftigsten Zielgruppen. Ines betont, dass in fünf Jahren 50% der Menschen in Deutschland über 50 Jahre alt sein werden. Diese demografische Veränderung erfordert ein Umdenken in der Marketingstrategie.

Vorurteile und Missverständnisse

Ein häufiges Vorurteil, das Ines anspricht, ist, dass ältere Menschen markentreu sind und nicht wechseln. „Die Menschen sind sehr anspruchsvoll, was das Thema Service angeht“, erklärt sie. Ältere Konsumenten sind bereit, Marken zu wechseln, wenn ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Zudem wird oft angenommen, dass Werbung für diese Zielgruppe einfach und unkompliziert sein sollte. „Das ist nicht die Realität“, sagt Ines und fordert Unternehmen auf, sich intensiver mit den Bedürfnissen dieser Gruppe auseinanderzusetzen.

Ein weiteres Missverständnis ist die Annahme, dass ältere Menschen nicht digital affin sind. Ines stellt klar, dass immer mehr Menschen über 50 das Internet nutzen, um Informationen zu suchen und Produkte zu vergleichen. „Das fällt im 20-Jährigen viel schwieriger“, sagt sie und hebt hervor, dass Unternehmen, die diese Tatsache ignorieren, eine wertvolle Gelegenheit verpassen.

Zielgruppe 50+: die Rolle der Medien

Die Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung der Zielgruppe 50+. Oftmals werden ältere Menschen in den Medien stereotypisiert oder gar nicht dargestellt. Ines fordert ein Umdenken in der Medienberichterstattung und betont, dass es wichtig ist, die Vielfalt und Vitalität der älteren Generation zu zeigen.

Die Notwendigkeit eines neuen Narrativs

Es ist an der Zeit, ein neues Narrativ für die Zielgruppe 50+ zu entwickeln. Ines erklärt, dass ältere Menschen oft in die gleiche Kategorie wie ihre eigenen Eltern gesteckt werden, was nicht der Realität entspricht. „Wir haben hier kein realistisches Bild und auch nicht besonders viel Wissen über die 50+jährigen“, sagt sie.

Die Bedeutung qualitativer Forschung

Ines hebt hervor, dass qualitative Marktforschung in der heutigen Zeit wichtiger denn je ist. „Wir ertrinken ja ein bisschen in Daten und dürsten nach Wissen“, sagt sie. Qualitative Forschung ermöglicht es, tiefere Einblicke in das Verhalten und die Einstellungen der Konsumenten zu gewinnen. „Wir hören den Menschen mindestens zwei Stunden zu, manchmal auch vier“, erklärt sie und betont, dass dies in der qualitativen Forschung selten ist.

Verhaltensänderungen und Individualisierung

Die Individualisierung hat in den letzten Jahren zugenommen, was bedeutet, dass Menschen nicht mehr in klare Zielgruppen eingeteilt werden können. Ines beschreibt, dass die Menschen heute viel mehr in Verfassungen bzw. Zuständen denken, als in klaren Persönlichkeitsbeschreibungen. „Wir unterscheiden uns je nachdem, wo wir uns befinden“, sagt sie.

Ein Beispiel, das sie anführt, ist das Verhalten von Konsumenten beim Kauf von Schokolade, wo wir mal eher süße oder eher bittere Varianten bevorzugen. Außerdem: „manchmal sind wir eben Biertrinker, manchmal sind wir Weintrinker“, erklärt sie. Diese unterschiedlichen Zustände erfordern eine flexible Herangehensweise auch an die Zielgruppendefinition.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

  • Zielgruppen neu definieren

Unternehmen sollten ihre Zielgruppen regelmäßig überprüfen und anpassen, um sicherzustellen, dass sie die aktuellen Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Konsumenten widerspiegeln. Ines betont, dass es wichtig ist, sich die Mühe zu machen, die Zielgruppen genau zu segmentieren, anstatt sich auf einfache Alterskategorien zu verlassen.

  • Qualitative Forschung nutzen

Man sollte auch in qualitative Forschung investieren, um wirklich tiefere Einblicke in die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppen zu gewinnen. Ines hebt hervor, dass gerade qualitative Forschung die Zusammenhänge im Datendschungel besonders gut aufdecken kann.

  • Die 50+ Zielgruppe ansprechen

Es lohnt sich, spezifische Marketingstrategien, die auf die Bedürfnisse der 50-Jährigen und älter ausgerichtet sind, zu entwickeln. Ines erklärt, dass diese Gruppe oft als „treu an ihren Marken“ angesehen wird, was jedoch nicht der Realität entspricht. „Die Marken werden häufig gewechselt“, sagt sie und fordert Unternehmen auf, sich mit den Ansprüchen dieser Zielgruppe auseinanderzusetzen.

  • Verhaltenszustände berücksichtigen

Man sollte in Verfassungen denken bzw. Zuständen, in denen sich Konsumenten befinden, anstatt sie in starre Kategorien einzuteilen.

Fazit

Ein klares und tiefes Verständnis ihre Zielgruppen ist entscheidend für den Erfolg von Unternehmen. Dazu reicht es schon lange nicht mehr aus, sich allein an demographischen Daten wie Alter oder Einkommen zu orientieren. Kunden werden oft über den Kontext zu bestimmten Verhaltensweisen getriggert. Es lohnt sich also auch über die aktuelle Verfassung des Konsumenten beim Kaufakt nachzudenken und zu segmentieren.

Die Initiative 50+ von Ines zeigt zudem, dass manchmal Zielgruppen vom Marketing übersehen werden. Es ist aber an der Zeit, diese oft übersehene Zielgruppe ernst zu nehmen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Marketingstrategien zu stellen.
Die Zielgruppe ist kaufkräftig, Konsum affin und heterogen.

Unternehmen, die bereit sind, sich mit den Veränderungen in der Demografie stärker auseinanderzusetzen und moderne qualitative Forschungsansätze zu nutzen, werden in der Lage sein, alle ihre Zielgruppen besser zu bedienen und langfristigen Erfolg zu sichern.

Dieser Blog ist eine Zusammenfassung von Folge 129 von CX-Talks und kann hier direkt angehört werden:


 

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Peter Pirner

… ist Management Partner des i-CEM und Host des erfolgreichsten deutschsprachigen Podcast CX-Talks. Er war fast 25 Jahre bei Kantar in verschiedenen Führungspositionen als renommierter CX Experte im nationalen und internationalen Beratungsumfeld tätig.  Heute ist er als unabhängiger CX-Advisor, Coach und Speaker aktiv und arbeitet als Consulting Partner für verschiedene Managementberatungen.

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