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Frank Otto5 Minuten Lesezeit

Digitale Lerntechnologie

Digitale Lerntechnologie ist mehr als Teilnehmerverwaltung mit Abruf von WBT-Konserven. Mitarbeiter reklamieren regelmäßig das schlechte IT-Umfeld der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Die eingesetzten Systeme verhindern oft schon einfachste Anforderungen rund um E-Learning, so dass digitales Lernen in diesen Organisationen erst recht in weite Ferne gerückt ist. Unternehmen haben dies natürlich auch bemerkt. Deren Kritikliste ist umfangreich. Technische Mängel wirken sich sehr schnell auf die Mitarbeiter aus.

Die wichtigsten Punkte:

•    Der Effekt von Lernen kann nicht gemessen werden
•    Lerninhalte und Lerneffekte sind nicht abgestimmt
•    Lernende sind entsprechend gering engagiert
•    Effektive Inhalte fehlen
•    Die Lernerfahrungen sind schlecht

Unternehmen weiterhin reklamieren fehlende Analysefunktionen und mangelnde Integration in andere Systeme. In größeren Unternehmen besteht die Welt darüber hinaus oft aus einem Gestrüpp von isolierten Daten- und Lernsilos.


Die Unzufriedenheit der Unternehmen bezieht sich auf Lerntechnologien, die unter der Kategorie „LMS“ („Learning Management System“) zusammengefasst sind. Diese Systeme administrieren Mitarbeiter, verteilen sie auf zugeordnete Kurse, fragen nach Trainings Zufriedenheitswerte ab oder werten aus, ob ein E-Learning vollständig „besucht“ wurde. Für moderne Anforderungen sind diese Systeme nicht geeignet, sie arbeiten mit Parametern und Abläufen aus der Welt der Präsenzangebote.


Vom den Anforderungen an digitales Lernen sind diese Systeme sehr weit entfernt. Digitale Lernsysteme müssen Inhalte als differenziert nutzbare Ressourcen darstellen. Inhalte können dort auch kuratiert angeboten oder situativ gepusht werden. Analysefunktionen ermitteln präzise Bilder der Situation, so dass Corporate Learning auch proaktiv vorgehen kann. Es geht um Just-in-Time-Lernen, um leicht zugängliche und im „Moment of Need“ frei verfügbare, individuell relevante und dadurch passende Inhalte. Der Abruf von WBT-Konserven ist im Vergleich dazu ein technisches Relikt.


Die Pandemie hat die Schwächen der genutzten Technologie und konzeptionelle Lücken herauskristallisiert und dafür gesorgt, dass Unternehmen ihre derzeitigen Systeme klarer und kritischer sehen. Sobald nämlich die vermissten Funktionen zur Verfügung stehen, kann Corporate Learning massive Fortschritte erwarten.

Analytics etwa wird von 83% der Unternehmen  gar nicht genutzt - mit Nutzung aber
•    entsteht 4,3-mal häufiger ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter
•    wird der Arbeitsplatz 4,8-mal häufiger als wertvoll eingestuft
•    ist die Wahrscheinlichkeit von Engagement und Bindung der Mitarbeiter 7,3 mal  größer
•    effektive Innovationen sind 7,7-mal wahrscheinlicher
•    wird Change 6,7-mal besser bewältigt

Lerntechnologien müssen strategisch sein

Insgesamt ist für „Lernen“ nach der Pandemie festzuhalten, dass „online“ gewinnt – 2021 stiegen die Budgets im Lernbereich um 57%. Auch wenn dies teilweise zur kurzfristigen und einmaligen Beschaffung von fehlenden Ressourcen für die neuen hybriden Teams gedient hat – die strategische Bedeutung von Investitionen ist inzwischen erkannt worden.
Seit der Pandemie wird als erste Priorität der Wettbewerbsvorteil gesehen, der durch eine Investition erzielt werden kann. Somit wird die strategische Bedeutung von IT-Investitionen gesehen, 66% der Unternehmen haben "signifikante Änderungen" an ihrer Lernstrategie vorgenommen. 
Unternehmen müssen den Wettlauf um Skills gewinnen und dafür ihre Konzepte von Lernen anpassen und anschließend mit geeigneten Systemen unterstützen. Mit LMS-Anwendungen wird dies kaum möglich sein.
Ob Büro oder Homeoffice –die Mitarbeiter haben übereinstimmende und klare Erwartungen zu ihrer Aus- und Weiterbildung. Präsenz und traditionelle Klassenräume mit Einheitsinhalten verfügen kaum noch über Akzeptanz, Effektivität und Effizienz dieser Angebote sind ebenfalls fragwürdig. Gefragt sind agile spezifische Angebote, die den „Moment of Need“ von Mitarbeiter und Unternehmen bedienen.
Dies hat bereits Auswirkungen - vergleicht man die Zahlen der eingesetzten Lernsysteme von 2018 mit denen von 2022, so hat sich der Anteil von klassischen LMS-Systemen und von Social-Learning-Technologien (hierzu gehören v.a. Communities und Foren) nicht verändert. Diese Technologien scheinen ausgereizt zu sein. Digitales agiles Lernen kann mit diesen Silo-Technologien nicht oder nur schwer angeboten werden.

Während LMS-Anwendungen zum Mainstream von Corporate Learning wurden, änderte sich das Umfeld der Lerntechnologien gewaltig. Seit 2018 etabliert sich mit den LXPs (Learning Experience Platform) eine neue Kategorie von Lernsystemen. Bei LXPs stehen selbstgesteuerte Lernerlebnisse im Mittelpunkt, der Funktionsumfang ist entsprechend ausgerichtet. Die Unterschiede zwischen den beiden Systemwelten (LMS vs. LXP) sind gewaltig – während ein LMS hauptsächlich auf die Bedürfnisse von Administratoren ausgelegt ist, richtet sich ein LXP an den Bedürfnissen der Lernenden aus. 

LXPs bedienen die Anforderungen an digitale Lernstrategien besonders gut. Die Nutzung dieser Technologien hat sich in den letzten Jahren verdoppelt. Die äußerst positive User Experience liegt hier mit einem Spitzenwert von 87,4% deutlich über der Bewertung anderer Lerntechnologien. Viele relevante Kenndaten zur Bewertung von LXPs sind gerade im Vergleich zu traditionellen LMS-Systemen besonders hoch, etwa die Zufriedenheit mit diesen Systemen insgesamt. LXPs sind bei 26% der befragten Unternehmen vertreten – diese neue Technologie hat sich etabliert. 66% der befragten Unternehmen haben LXPs auf der Agenda. Das überrascht nicht, weil die von Corporate Learning erkannten Probleme mit traditionellen LMS-Systemen nicht behoben werden können. Da LXPs grundsätzlich als Plattform konzipiert sind, bieten sie einen großen technischen Vorteil – sie können in verschiedene IT-Landschaften integriert werden und so ein Ökosystem bilden.

Lerntechnologie als modulares Ökosystem

Bei einer Beschaffung nach strategischen Gesichtspunkten sollte eine eingeschränkte Ausrichtung auf administrative oder formale Anforderungen der IT deutlich erweitert werden. Wichtiger ist die Frage, wie Lernende mit der Technologie interagieren möchten. Die Kriterien, die Unternehmen zur Auswahl der Lern-technologie verwenden, müssen stärker auf die Bedürfnisse der Lernenden abgestimmt sein.
Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt: welche Funktionen sind für Ihr Unternehmen am wichtigsten – und worauf können Sie verzichten? Da sich beide Aspekte ständig ändern, entsteht ein drittes Kriterium: wie flexibel ist das System, das Sie evaluieren oder beschaffen?

Lernanforderungen der agilen Welt können kaum mit Anwendungen bedient werden,  die im Kern auf vor zwanzig oder mehr Jahren entwickelten Technologien und Lernkonzepten basieren und sich darum als defizitär präsentieren. Darum wurden in vielen Unternehmen zwischenzeitlich weitere Systeme und Tools implementiert. Dies erfolgte häufig auf Bereichsebene und damit parallel zu zentralen oder koordinierten IT-Aktivitäten. Das Ergebnis sind inkonsistente Lernkonzepte und disparate Systeme, die quer durch eine Organisation angeboten werden. Es entstehen weitere voneinander abgekoppelte Daten- und Lernsilos. 
Da kein IT-System alle Anforderungen gleichzeitig und gleich perfekt umsetzen kann, empfiehlt es sich, Lerntechnologien als Ökosysteme zu betrachten und entsprechend modular zu konzipieren. Das sichert die Integration von Daten und es verhindert Inselbildungen von isolierten Tools. 

LXPs als Teil dieses Ökosystems ermöglichen und gestalten eine Beziehung zwischen Lernenden und Lerninhalten. Lernende können Informationen gezielt und persönlich zugeschnitten abrufen, so dass sie jeder-zeit und überall bedarfsgerechte Hilfe und Informationen erhalten. Gleichzeitig können LXP-Portale auch an traditionelle LMS-Systeme angebunden werden, da deren Funktionen (etwa beim formalen Lernen) unverändert zur Verfügung stehen müssen. 

Die Betrachtung als Ökosystem überwindet oft übliche IT-Ansätze, mit jeweils einem System ein Thema vollständig abzudecken. Diese Ansätze verhindern Flexibilität, schaffen Abhängigkeiten und setzen auf eine einzige Technologie. Angesichts des gerade in der IT besonders schnellen technologischen Wandels verbie-tet sich diese riskante Strategie eigentlich von selbst.
Ein Ökosystem nutzt jeweils passende optimale Komponenten – und integriert diese in das Gesamtangebot. Silos, veraltete Systeme oder Überholversuche einzelner Unternehmensbereiche werden so zum Nutzen des gesamten Unternehmens überwunden.

Die strategische Neuausrichtung auf einen “Performance Output“ und die Ablösung des „Learning Input“ basiert auf einer grundlegenden strategischen Orientierung auf digitales Lernen. Das hat sich herumgesprochen - erfolgreiche Unternehmen erkennt man an der strategischen Neuausrichtung von Corporate Learning an den Unternehmenszielen und an der Evaluation von LXP-Technologien.

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Frank Otto

studierte Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie an der LMU München. Seit 30 Jahren ist er im Umfeld von „Service-Organisationen“ tätig. Sein Schwerpunkt „wanderte“ dabei von Customer Experience zu Learning Experience. Hier unterstützt er seit fast 20 Jahren als Experte Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung von digitalen Lernstrategien. Die Bandbreite dieser Tätigkeit er-streckt sich von Beratung, Konzeption und Produktion von relevanten Lerninhalten bis zur Integration von modernen LXP-Lösungen in vorhandene IT-Landschaften. Als Organisationsprogrammierer (DEC) bietet er zudem die Expertise aus den beiden relevanten Welten mit einen pragmatischen Blick für das Machbare. Sein Blick über den Tellerrand ist ausgeprägt. Frank Otto ist Mitglied der amerikanischen ATD.

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