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Roland Ruf7 Minuten Lesezeit

Kennzahlen im Kontext: Kampagnensteuerung im Outbound

Kennzahlen sind Steuerungsinstrumente, die zur Festlegung von Soll-Werten und zur Überprüfung des Ist-Zustands dienen. Steuerungsrelevant sind Kennzahlen dann, wenn sie veränderbare und beeinflussbare Sachverhalte beschreiben. Kennzahlen ermöglichen im Rahmen des Benchmarking Leistungsvergleiche.

Kennzahlen sollten so gebildet werden, dass sie möglichst genau beschreiben, wie die Prozesse ablaufen, wie die Aufgaben erfüllt werden, wie erfolgreich die Produkte verkauft werden und vor allem wie die Ziele erreicht werden. Außerdem können sie dazu dienen, Gründe für eine vermeintliche oder tatsächliche Unwirtschaftlichkeit von Kampagnen zu ermitteln.

Eine ausführliche Erklärung und Definition einzelner Kennzahlen im Contact Center finden Sie in unserem Whitepaper Outbound-Kennzahlen.

Soweit die Theorie, aber wie sieht die Praxis aus?

Mit geübtem Blick kann man anhand der Kennzahlen durchaus erkennen, ob eine Kampagne gut läuft, die Daten passen und der Dienstleister gute Qualität liefert, ohne sich ein einziges Gespräch angehört zu haben.

In diesem Artikel zeige ich anhand eines Beispiels, welche Kennzahlen zur Steuerung von Outbound-Kampagnen genutzt und wie sie interpretiert werden können. Dabei ist zu beachten, dass einzelne Kennzahlen nicht immer losgelöst voneinander betrachtet werden sollten, sondern erst im Zusammenhang mit anderen Kennzahlen ein vollständiges Bild ergeben.

Hier ein Beispiel einer sehr schlecht gesteuerten Kampagne, welche von einem Dienstleister im Auftraggeber-Auftrag umgesetzt wurde:

Bildschirm­foto 2023-03-30 um 09.02.08

Der Kampagnenerfolg

Es gibt Kennzahlen, die durch andere Kennzahlen beeinflusst werden. Eine davon ist die Abarbeitung, die beschreibt, wie viele gelieferte Datensätze im Kampagnenzeitraum zu einem Entscheiderkontakt (Nettokontakt, also einer Ablehnung oder Zusage des Kunden) geführt haben. In dem Beispiel und sehr häufig in ähnlichen Kampagnen liegt das Ziel bei 60%. Wenn die Agenten jedoch die Datensätze nicht sauber klassifizieren, sind diese am Kampagnen-Ende immer noch offen, obwohl der Kunde bereits seine (negative) Entscheidung getroffen hat.
 
Sichtbar wird dies vor allem an einer Stellgröße, den Calls/Nettokontakt. Dieser Wert beschreibt die Anzahl der Calls, die ein Mitarbeiter für einen Nettokontakt benötigt, kurz, wie viele Anrufe benötigen die Agenten, um eine Entscheidung herbeizuführen. Bei normal komplexen Kampagnen liegt der Wert meist bei ungefähr 1,3 Calls/Nettokontakt. Höhere Werte wie hier in unserem Beispiel mit 3,22 Calls/Nettokontakt haben in der Regel drei Ursachen:

a)    Die Agenten können keine Entscheidung des Kunden herbeiführen und der Geschäftsabschluss kommt nicht zustande. Hier kann durch Schulungen und Coachings steuernd eingegriffen werden.

b)    Die Agenten klassifizieren ablehnende Gespräche nicht als „negativen“ Nettokontakt, sondern nutzen z.B. Anrufbeantworter, Wiedervorlage oder Fax. Dies verfälscht die Kennzahlen und führt zu Unzufriedenheit bei Ihren Kunden, da sie trotz Ablehnung erneut angerufen werden. Die Agenten der Folgegespräche müssen dann eine für beide Seiten wenig motivierende Konversation führen. Warum dies häufig passiert, erklären wir weiter unten. 

c)    Der Kunde wird zum falschen Zeitpunkt angerufen und man sollte an der Dialer-Steuerung und der Schichtplanung arbeiten, wenn man ausschließen kann, dass dieses Argument nicht als Vorwand für a) oder b) genutzt wird.

Bei komplexeren Kampagnen kann der Agent unter bestimmten definierten Bedingungen auch mehrere Gespräche zur Entscheidung brauchen, der Ziel-Wert muss dem Kampagneninhalt dann entsprechend angepasst werden.

Vereinzelt ist zu beobachten, dass Mitarbeiter Datensätze von „abschlussunwilligen“ Kunden als Wiedervorlage über das Kampagnenende hinaus einstellen, um ihre Conversion Rate zu verbessern. Dies kann aus Steuerungssicht überprüft und verhindert werden, indem Sie alle diese Kundendatensätze nach Kampagnenende als negativen Nettokontakt mit einem eigenen Abschlusscode klassifizieren und dem zuletzt bearbeitenden Mitarbeiter zuweisen.

Der Kampagnenerfolg wird über die Conversion Rate gemessen. Die Conversion Rate 1 sagt aus, wie viele Takes (Abschlüsse oder Verkäufe) pro Datenlieferung erreicht wurden. Da dieser Wert sich aber nur schwer auf die Agenten runterbrechen lässt, wird meist mit der Conversion Rate 2 (Takes/Nettokontakt) gearbeitet. Hier gibt es ein Manko: diesen Wert können die Agenten manipulieren, in dem sie einfach wie oben beschrieben negativ abzuschließende Datensätze als Wiedervorlage, Anrufbeantworter etc. klassifizieren. Gerade die Anrufbeantworterklassifizierung sollte nur sehr selten vorkommen, da der Dialer diese in der Regel automatisch erkennt und keinem Agenten zuweist.

Leider gibt es immer noch zu häufig Unternehmen, die ihren Mitarbeiter Boni oder Incentives auf Basis der Conversion Rate 2 auszahlen. Kürzlich fiel bei einem Audit ein Agent auf, der eine Conversion Rate 2 von 96% hatte. Sein Vorgesetzter lobte ihn als „Super-Verkäufer“, seine persönliche Call/Nettokontakt-Quote lag jedoch bei mehr als 15. Er hatte seine Conversion Rate 2 durch Falsch-Klassifizierung geschönt, was dem Vorgesetzen nicht auffiel. 

Passender zur Mitarbeiter-Bewertung sind hier Werte wie Takes/Call, da diese sich nicht so einfach verfälschen lassen. Wobei auch dies keine „einzig wahre“ zu optimierende Kennzahl ist: Gute Agenten legen häufiger Wiedervorlagen an, um den Kunden Zeit zum Überlegen zu geben.

Der Erfolg des Mitarbeitereinsatzes

Waren dies vor allem Kennzahlen, die etwas über den Erfolg der Kampagne aussagen, sind natürlich auch diejenigen spannend, bei denen es um den Mitarbeiterleistung geht.

Eine Mitarbeitersteuerung über die reine Gesprächszeit ist von mehreren Faktoren abhängig, grundsätzlich ist ein Vergleich aber möglich:

a)    So machen Mitarbeiter mit einer längeren Gesprächszeit im Outbound in der Regel den „besseren Job“, da positive Abschlüsse häufig mit umfangreicher Argumentation und Produkterklärung einhergehen. 

b)    Ein sehr guter Mitarbeiter zeichnet sich aber gleichzeitig auch darin aus, dass er sowohl positive als auch negative Potentiale schnell erkennt und deshalb Kundengespräche, bei denen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kein Abschluss möglich sein wird, schneller beendet.
 
c)    Nicht so erfolgreiche Mitarbeiter haben eine zu kurze Gesprächszeit, da sie nicht über die ersten 30 Sekunden hinauskommen. 

Gleichzeitig ist bei Mitarbeitern, die keine saubere Bedarfsanalyse machen aufgrund der kurzen Gesprächszeit die anteilige Wartezeit für den nächsten Dialer-Call deutlich über dem Durchschnitt. Sobald der Dialer sieht oder voraussagt, dass ein Mitarbeiter frei wird, startet er die Anwahl des nächsten Kontaktes. Im Schnitt dauert es eine Zeit (abhängig von der Kampagne) bis ein Kunde erreicht wird – je mehr Agenten desto besser kann der Dialer diese Zeit vorausschauend optimieren. Wenn der Dialer z.B. im Schnitt 30 Sekunden für einen Kontakt braucht, so ist die anteilige Wartezeit bei 30 Sekunden Gesprächszeit im Schnitt deutlich höher als bei einer Gesprächszeit von 120 Sekunden.

Die Wartezeit ist aber nicht nur vom Agenten beeinflussbar. Großen Einfluss darauf haben die Anwahl-Kriterien: wie oft darf eine Kunde am Tag, in der Woche, während der Kampagnenlaufzeit angerufen werden? Zudem spielt die Häufigkeit der Beladung der Kampagnen mit frischen Datensätzen eine wichtige Rolle. Beide Punkte können dafür sorgen, dass der Dialer im Predictive Mode keine konstante Performance liefern kann, da nicht genügend „erfolgreich anwählbare“ Datensätze zur Verfügung stehen.

Mittelfristig kann über eine angepasste Personaleinsatzplanung die Arbeitszeit effizienter genutzt werden. Kurzfristig kann dies im Rahmen des Intraday-Managements durch Verlegung von unproduktiven Themen wie Meetings, Coachings und Schulungen geschehen. Die Steuerung sollte so optimiert werden, dass der Anteil der Wartezeit an der Produktivzeit (Gesprächszeit + Nacharbeitszeit + Wartezeit) idealerweise nicht über 20% liegt. Bei Kampagnen mit großer Agentenanzahl sind auch Zahlen unter 5% denkbar, hier besteht allerdings das Risiko, dass die Agenten sich gestresst fühlen, was wiederum zu Unzufriedenheit und erhöhter Fluktuation führt.

Zumeist ist die mittlere Gesprächszeit und eine kurze anteilige Wartezeit ein Indiz für qualitative Gesprächsführung, welche durch Silent Listening verifiziert werden sollte.

Anders verhält es sich mit der Nacharbeitszeit. Moderne Dialer- oder CRM-Systeme lassen eine einfache Gesprächsdokumentation während des Calls zu, so dass die Zeit, die nach einem Gespräch für dessen Aufbereitung erforderlich sein sollte, recht gering ist. 

Als letzte Steuerungskennzahl können die Ablehnungsgründe analysiert werden. Diese dienen dem Auftraggeber dazu, zu erkennen, ob er ggf. an der einen oder anderen Stelle bei der Datenselektion Verbesserungen vornehmen kann. Dazu ist es aber erforderlich, dass jeder Mitarbeiter diese korrekt auswählt. Überprüft werden kann dies über ein Benchmarking, bei dem pro Mitarbeiter bzw. Dienstleister der Anteil der negativen Nettokontakte mit dem Anteil der Nutzung einzelner Ablehnungsgründe im Verhältnis zu allen anderen Mitarbeitern bzw. Dienstleistern geprüft wird.

Analyse des Beispiels

•    Die Abarbeitung ist mit 24,7% sehr schlecht.
•    Die Calls/Nettokontakt sind bei 3,2. Vergleicht man mit ähnlichen Kampagnen, könnte der Wert bei 1,3 sein - bei professioneller Telefonie und einem sauberen Wert von Calls/Nettokontakt. 
•    Mit einem Wert von 1,3 für Calls/Nettokontakt wäre die Abarbeitung bei 60%. Dies entspricht in etwa dem Branchenschnitt.
•    Die Conversion Rate 2 von 3,1% entspricht aufgrund der hohen Calls/Nettokontakt-Quote nicht der Realität und wäre eher bei 1,2% - zu wenig, um erfolgreich zu sein. Dies liegt an der Kombination zu den Calls/Nettokontakt. Über die Ursachen lässt sich spekulieren. Ob dies an den Agenten liegt oder am hohen Druck der Auftraggeber, der den Dienstleister veranlasst strukturell die Mitarbeiter entsprechend zu steuern, sei dahingestellt. 
•    Die offenen Wiedervorlagen am Ende im Verhältnis zu den Nettokontakten sollten hinterfragt und die Ursachen ermittelt werden.
•    Der hohe Anteil an Opt-Outs (95,6%) deutet auf eine fehlende Steuerung hin. Zum einen geht Potenzial für Folge-Kampagnen verloren, zum andern fehlt die Möglichkeit die Ablehnungsgründe qualitativ auszuwerten, beides gravierende Probleme für den Auftraggeber.

Folgende Maßnahmen empfehlen wir zur Verbesserung unseres Kampagnen-Beispiels:

  • Eine genauere Führung der Agenten, die Kontakte richtig zu klassifizieren.
  • dies sollte zu sauberen Ablehnungsgründen und 
  • zu einer realistischen Bewertung der Conversion Rate 2 führen
  • Basierend darauf sollte durch individuelles Coaching die Converstion Rate 2 erhöht werden.
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Roland Ruf

… berät seine Kunden bei der Auswahl, der Beschaffung, der Implementierung und dem Betriebsmanagement von Contact Center-Lösungen sowie der Prozessberatung. Roland kennt die Versprechen der Technologie-Anbieter und prüft regelmäßig, ob sie diese halten können. Er kennt den Contact Center-Betrieb aus seiner lang-jährigen Projekt-Erfahrung. Seine persönliche Kompetenz liegt darin, Technologie und Bedürfnisse zusammen zu bringen, die richtige Technologie für aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu finden zu finden und zu implementieren. Zusammen mit seinem Team berät er Unternehmen strategisch und operativ bei der Steuerung von Contact Center-Einheiten und externen Dienstleistern, im Bereich Qualitäts- und Performancemanagement sowie der Personaleinsatzplanung.

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